Armutsgefährdungsquote

Quelle: Hessbeck Photography, Landkreis Mittelsachsen

Zu den Fakten

Ende Januar 2025 vermeldete das Statistische Bundesamt in einer Pressemitteilung, dass im Jahr 2024 rund 13,1 Millionen Menschen in Deutschland armutsgefährdet waren. Das waren 15,5 Prozent der Bevölkerung, oder anders ausgedrückt, handelt es sich dabei um etwas mehr als jede sechste Person. Das ist im Vergleich zu 2023 ein Anstieg um etwas mehr als ein Prozentpunkt. Damals lag diese Quote bei 14,4 Prozent (12,1 Millionen Menschen).

Eine Person gilt als armutsgefährdet, wenn sie über weniger als 60 Prozent des mittleren Äquivalenzeinkommens der Gesamtbevölkerung verfügt. 2024 lag dieser Schwellenwert für eine alleinlebende Person in Deutschland netto (nach Steuern und Sozialabgaben) bei 1.378 Euro im Monat; für Haushalte mit zwei Erwachsenen mit zwei Kindern unter 14 Jahren lag er bei 2.893 Euro im Monat.

Bei der hier dargestellten statistischen Kennzahl handelt es sich um die sogenannte Armutsgefährdungsquote, welche angibt, wie hoch das Ausmaß von Armut in einer Gesellschaft bzw. in einer bestimmten Bevölkerungsgruppe ist.

Zum methodischen Hintergrund

Damit man fundiert beschreiben und quantifizieren kann, wie hoch das Ausmaß von Armut in einer Gesellschaft ist, werden anhand von Konzepten zur Armutsmessung Indikatoren festgelegt, ab wann eine Person als arm gilt.

Die Armutsgefährdungsquote ist ein solcher Indikator zur Identifikation der von Armut betroffenen Personen. Die Angabe der Armutsgefährdungsquote folgt dabei einem Konzept der Armutsbetrachtung, das das Einkommen als zentrale Größe für den Lebensstandard heranzieht. Danach gelten als arm diejenigen Personen, die über so geringe finanzielle Ressourcen verfügen, dass sie den in ihrer Gesellschaft als annehmbar geltenden Lebensstandard nicht erreichen.

Für die Berechnung der Armutsgefährdungsquote und der Armutsschwelle werden also Angaben über das Nettoeinkommen eines jeden Haushaltes benötigt, welche in verschiedenen Umfragen zur Lebenssituation der Bevölkerung erhoben werden. Das Nettohaushaltseinkommen umfasst alle Einkommen aus den Erwerbstätigkeiten der Haushaltsmitglieder. Daneben fließen auch Mieteinnahmen, Kapitalgewinne oder Zinsen in das Haushaltsnettoeinkommen ein. Schließlich werden auch staatliche Transfereinkommen einbezogen wie zum Beispiel Kindergeld, Wohngeld, Arbeitslosengeld. Von diesen Einkommen werden die gezahlten Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abgezogen.
Quelle: Hessbeck Photography, Landkreis Mittelsachsen
Da Haushalte mit mehreren Personen durch gemeinsames Wohnen und Wirtschaften Einsparungen erzielen, wird das Haushaltsnettoeinkommen in ein bedarfsgewichtetes Pro-Kopf-Einkommen bzw. Äquivalenzeinkommen umgerechnet. Dabei wird das Haushaltsnettoeinkommen durch die Summe der Bedarfsgewichte aller Haushaltsmitglieder geteilt. Diese Bedarfsgewichte spiegeln die Einsparpotenziale wider und berücksichtigen geringere Bedarfe von Kindern im Vergleich zu Erwachsenen. Zur Bestimmung dieser Gewichte werden Äquivalenzskalen herangezogen, wobei die OECD-Skalen (OECD: Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) am häufigsten verwendet werden.

Zu den Vorteilen und Nachteilen der Verwendung der Armutsgefährdungsquote

Der genannte Indikator zur Abbildung von Armut hat den Vorteil, dass er gut umzusetzen ist und über eine hohe Vergleichbarkeit verfügt. Dennoch lassen sich auch Nachteile aufzeigen: Er betrachtet in erster Linie, über welche materiellen Mittel eine Person verfügt, beantwortet jedoch nicht die Frage, ob diese Mittel auch dafür genutzt werden, den als notwendig erachteten Lebensstandard zu sichern (vgl. Dittmann, Göbel 2018, S. 24).

Ein weiterer kritischer Aspekt ist, dass individuelle Unterschiede in der Fähigkeit und Bereitschaft, finanzielle Ressourcen sinnvoll einzusetzen, unberücksichtigt bleiben. Regional unterschiedliche Preisniveaus bedingen zusätzlich einen unterschiedlichen Wert der finanziellen Mittel. Deutlich wird dies zum Beispiel an regional variierenden Wohnkosten (vgl. ebd.).

Ein zentraler Kritikpunkt ist, dass Menschen trotz ausreichender Ressourcen in Armut geraten können, weil die Nutzung der Ressourcen erschwert wird. Dies kann durch fehlendes Wissen, Diskriminierung oder eingeschränkten Zugang zu bestimmten Gütern wie Wohnraum geschehen. Zudem bleibt unbeachtet, dass fehlende eigene Mittel durch familiäre oder soziale Unterstützung ausgeglichen werden können.

Zur Situation der Abbildung von Armut im Landkreis Mittelsachsen

Wie in den drei vorliegenden Sozialberichten für den Landkreis Mittelsachsen dargestellt, können keine Armutsgefährdungsquoten kleinräumig für die kreisangehörigen Gemeinden des Landkreises Mittelsachsen abgebildet werden. Die erforderlichen Daten zu den Einkommen der Bevölkerung, welche für die dargestellte Berechnung der Armutsgefährdungsquote und der Armutsschwelle benötigt werden, liegen nicht auf kommunaler Ebene vor.

Aus diesem Grund werden zur Abbildung von Armut im Landkreis Mittelsachsen Kennzahlen eingesetzt, die aus dem Konzept zum Bezug von Sozialleistungen bzw. der Grundsicherung entstammen (vgl. Bohr und Janßen 2022, S. 69). Dieses Konzept eignet sich jedoch nur eingeschränkt für die Messung und Abbildung von Armut, da weitere armutsgefährdete Risikogruppen ausgeschlossen bleiben (vgl. ebd., S. 71). Dennoch ist es unabdinglich jene Kennzahlen zur Darstellung von sozial unsicheren Lebenslagen auf kommunaler Ebene zu nutzen. Darüber hinaus wäre es möglich, durch regelmäßig stattfindende Haushaltsbefragungen mehr Informationen zu den Nettoeinkommen der mittelsächsischen Haushalte zu erheben, damit das tatsächliche Ausmaß von Armut mit Hilfe der Armutsgefährdungsquote aufgezeigt werden kann.

Quellen

Bohr, Jeanette und Andrea Janßen (2022): Methoden der Armutsforschung. In: Marquardsen, Kai (Hrsg.): Armutsforschung. Handbuch für Wissenschaft und Praxis. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, S. 59-75

Dittmann, Jörg und Jan Goebel (2018): Armutskonzepte. In: Böhnke, Petra, Dittmann, Jörg und Jan Goebel (Hrsg.): Handbuch Armut. Ursachen, Trends, Maßnahmen. Opladen und Toronto: Verlag Barbara Budrich, S. 21-34

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